Freiheit
Bereits zur Karolingerzeit waren die Mark Heppenheim und die Mark Michelstadt definiert und voneinander abgegrenzt. Zwischen den beiden existierte die reichsunabhängige Mark Fränkisch-Crumbach. Die drei Herrschaftsbereiche stießen in Laudenau zusammen, das heißt, bereits im Mittelalter war der Flecken hoheitsmäßig diesen drei Territorien zugeteilt, also ein dreigeteiltes Dorf. Nach dem Wohnplatzverzeichnis für den Volksstaat Hessen von 1927 unterschied man Laudenau - das Dorf, Laudenau unter den Bäumen und Laudenau - Freiheit.

„Karte von dem Großherzogthume Hessen“
1823 - 1850, Blatt 27 Erbach
Der Weiler Freiheit, heute zum Ortsteil Laudenau zählend, hat eine sehr wechselvolle Geschichte. In der Nähe des Dorfes Laudenau, das schon 1012 als „Lutenhaha“ in der Urkunde 93 des Klosters Lorsch erwähnt ist, befand sich ein uraltes Märkergericht. Seine Ersterwähnung dürfte auf ein Protokoll des Landgerichts der Zent Ober-Ramstadt zurückgehen, in dem über den Gerichtstag vom 13. Oktober 1456 berichtet wird.
Die besondere Rechtsstellung der Freiheit wird jedoch weniger dem einmal im Jahr tagenden Märkergericht als dem Zusammentreffen wichtiger Grenzen zuzuschreiben sein. Grenzen genossen seit alters besonderen rechtlichen und religiösen Schutz. Jede Grenze eines Gerichtsbezirks bot dem Flüchtigen die Möglichkeit, sich der Verfolgung zu entziehen. Auch entstanden, da jeder Angrenzer seine Grenzen nach Richtpunkten ausrichtete, Streifen so genannten Niemandslandes, die sich der Jurisdiktion der Grenznachbarn entzogen. Noch heute wird von dem Weiler Freiheit erzählt, dass jeder Rechtsbrecher, der sich in dieses Niemandsland geflüchtet hatte, sechsunddreißig oder achtundvierzig Stunden lang nicht gerichtlich verfolgt werden durfte. Er war „gebannt“ oder „gefreit“, das heißt geschützt und genoss somit Immunität. Dieser Begriff wurde bereits in karolingischer Zeit mit „friiheit“ gleichgesetzt, woraus sich der Name „Die Freiheit“ entwickelte.
Möglicherweise lag dieses Niemandsland genau dort, wo auch die Märkergerichte unter freiem Himmel tagten oder umgekehrt, die Märkergerichte tagten auf neutralem Boden, also in dem Niemandsland, das von einer „lebenden Hecke“ umgeben war. Die Stätte liegt etwa eineinhalb Kilometer von der Ruine Rodenstein entfernt und unterstand der rodensteinischen Herrschaft.
Laudenau - Freiheit stand im Einflussbereich der Herren von Rodenstein (war Mitmärker der Rodensteiner Mark) und lag auf Fränkisch-Crumbacher Gemarkung. Seine Bewohner gehörten im 15. Jahrhundert kirchlich zur Mutterkirche St. Michael in Groß-Bieberau. An der fraglichen Stelle lag einst ein gemarkungsfreier Gutshof und später eine Gaststätte mit Nebengebäuden. Nachdem die Rodensteiner 1671 ausgestorben waren, gehörte der Weiler Freiheit mit damals zwei Höfen und etwa 15 Einwohnern zur Herrschaft von Gemmingen.
In dem Weiler liefen auch die Grenzen der Kirchspiele Groß-Bieberau, Reichelsheim und Neunkirchen zusammen. Bei einem Treffen der drei zuständigen Pfarrer am 22. Juli 1763 saßen sie gemeinsam an einem Tisch, der so aufgestellt worden war, dass jeder auf dem Gebiet seines Kirchspiels zu sitzen kam.
1806 kam das gemarkungsfreie Gebiet Freiheit zur Gemeinde Fränkisch-Crumbach und wurde 1972 im Rahmen der Kommunalreform mit dieser zusammen aus dem Kreis Dieburg ausgegliedert und in den Odenwaldkreis eingegliedert. Erst durch einen von der Landesregierung genehmigten Grenzänderungsvertrag zwischen den Gemeinden Fränkisch-Crumbach und Reichelsheim kam die Freiheit 1976 zum Ortsteil Laudenau und damit zu Reichelsheim.
Verantwortlicher Autor:
[Lode, Gerd]